Nach der Bitcoin-Blase

In Anlehnung an einen New York Times Artikel von vorletzter Woche, möchte ich meine Gedanken zu Bitcoin & Co fortführen. Abgeschlossen hatte ich den Artikel mit dem Gedanken, dass sich die Technik hinter Kryptowährungen wahrscheinlich durchsetzen wird. Ich mir aber nicht sicher bin, ob diese in eine der heute bereits existenten Kryptowährung schon eingesetzt wird oder erst noch entwickelt werden muss. Dazu muss man vielleicht sagen, dass es bereits jetzt mehrere Generationen Kryptowährungen gibt: Bitcoin 1. Generation, Ethereum 2. Generation, IOTA 3. Generation und die 4. Generation wahrscheinlich auch schon existiert.

Sind Kryptowährungen nur ein kurzfristiger Trend?

Als Investor ohne Kryptowährungen wäre es verlockend, Kryptowährungen als Tulpenmanie abzutun. Macht man dies, wären alle Kryptowährungen nach einem Platzen der Blase nichts mehr wert und eine langfristige Beteiligung unlogisch. Allerdings neige ich eher zu dem Vergleich der Dot-Com-Blase in den 90er Jahre. Hier gab es auch lächerlich hohe Bewertungen von Unternehmen ohne funktionierendes Geschäftsmodell. Die Leute kauften jedes Technologie-IPO, weil die Kurse stiegen. Eine sich selbsterfüllende Prophezeiung, bis sie es nicht mehr taten. Das Umfeld zog auch Betrüger an. Trotzdem waren nicht alle Unternehmen wertlos. Amazon ist zum Beispiel in dieser Zeit entstanden – heute eines der wertvollsten Unternehmen der Welt.

Der Einfluss des Geldes

Der Einfluss des vielen Gelds hat die Entwicklung des Internets vorangetrieben, wie es sich wahrscheinlich auch die größten Internetjünger der 90er Jahre nicht vorstellen konnten. Die damals entwickelten Technologien haben heute fast jeden Bereich unseres Zusammenlebens, unserer Informationsaufnahme und unserer Wirtschaft verändert. Nimmt man diese Zeit als Grundlage für Kryptowährungen, kann man die Veränderungen heute nur schwer abschätzen. Bitcoin & Co sind die Demonstration von funktionierenden dezentralen Vertrauensnetzwerken, welche Inhalte einer Datenbank fälschungssicher speichern und verwalten, ohne dass jemand dafür allein verantwortlich wäre. Das System funktioniert, weil es einen monetären Anreiz für die Pflege der Datenbank in Form von neuen Bitcoins oder Tokens gibt (Tokenisation).

Eine Gefahr für viele etablierte Unternehmen

Eine Gefahr stellen diese Systeme für alle Geschäftsmodelle und Institute da, die Daten verwalten und als zentrale Kontrollinstanz gelten. Mit der Technologie von Kryptowährungen sind Transaktionen und Veränderungen einer Datenbank ohne die traditionellen Institutionen, auf die wir vertrauen, um Vertrauen aufzubauen, möglich. Offensichtlich ist die Anwendung bei Bezahlsystemen, insbesondere dort wo wenig Vertrauen herrscht (illegale Geschäfte und Entwicklungsländer) und Überweisungen verhältnismäßig teuer sind (große internationale Überweisungen und Microbezahlungen, z. B. 10 Cent um einen Blogartikel zu lesen), und als digitales Gold. So werden Kryptowährung heute auch schon von den meisten Leuten gesehen. Meistens entweder sehr kritisch oder sehr positiv. Neben Banken, Versicherungen, Kreditkartenanbietern sind durch die Tokenisation aber auch Behörden, Notare oder Soziale Medien gefährdet. Dies ist den meisten nicht bewusst.

Eine mögliche Utopie

Erst einmal vorweg: Ich weiß nicht, wie wahrscheinlich dieses Szenario ist. Das Wort „Utopie“ in der Überschrift soll ausdrücken, dass ich es für positiv, aber eher unwahrscheinlich halte.

Kryptoverzeichnisse könnten die Antwort auf ein Internet mit Datenmonopolen, wie Google, Amazon, Facebook und Tencent, sein. Die Idee sind offene, dezentrale und sichere Datenbanken, die eine Alternative zu dem winner-takes-it-all Modell der jetzigen Internetgiganten sind. Mithilfe von Kryptoverzeichnissen könnten Identität in einem freizugänglichen Netzwerk geschaffen werden auf die jede Art von Informationen sicher gespeichert werden könnte. Informationen wie: Namen, Aufenthaltsort, Interessen, Einkaufs- sowie Suchverhalten, Kontakte und alle anderen personenbezogenen Daten. Diese Daten wären nicht unter der Kontrolle von Konzernen wie Google, Amazon, Facebook und Tencent. Auf Basis dieser Identität könnte man andere Suchanbieter, Marktplätzen und Sozialen Plattformen nutzen ohne die Vorteile des Netzwerkeffektes zu verlieren. Gleichzeitig sind diese Daten verschlüsselt für alle sichtbar, nach heutigem Stand nicht zu hacken und nicht zu manipulieren, solange man weniger als 50% des Netzwerkes kontrolliert.

Um es einfach zu halten, nehmen wir das Senden von Kurznachrichten. Ich nutze WhatApp, meine Frau Threema, mein Bruder Telegram. Wenn alle drei Anbieter an das gleiche Kryptoverzeichnis/-protokoll angeschlossen wären, könnten wir uns gegenseitig Nachrichten schicken ohne 3 Programme installieren zu müssen. Der App-Anbieter stellt nur die Oberfläche zur Verfügung, die Nachrichten (personenbezogene Daten) werden im Kryptoverzeichnis gespeichert. Ähnlich des Senden von E-Mails, nur dass die Daten in einer dezentralen Datenbank gespeichert werden. Wechsel ich den Anbieter der Oberfläche, ziehen meine persönlichen Daten mit mir um.

Wieso könnte das funktionieren?

Die moderne Internetarchitektur beruht auf riesigen zentralverwalteten Datenbanken. Daten in Datenbanken müssen richtig verteilt werden und kosten Geld. Bisher vertrauen wir auf Facebook & Co diese Daten zu verwalten, vor Angriffen zu schützen und bezahlen den Service über Werbung mit Informationen über uns.

Kryptowährungen lösen diese Probleme auf andere Weise. Auf der einen Seite durch Verschlüsselung und auf der anderen Seite dadurch, dass das Bereitstellen der Daten durch Token belohnt wird. Es gibt einen Anreiz durch Kryptowährungen die Leistung der Datenbank bereitzustellen und zu nutzen. Das ist die eigentlich bahnbrechende Idee von Kryptowährungen. Meistens wird hier der Vergleich von Peer-to-Peer (P2P) Netzwerken, wie BitTorrent gezogen, die nach einem ähnlichen Prinzip, wie das Bereitstellen der Daten innerhalb einer Kryptowährung funktionieren. Bei P2P funktioniert der Austausch aber auf freiwilliger Basis. Die Nutzer des P2P-Netzwerkes stellen die Datei während sie sie herunterladen gleichzeitig zur Verfügung. Für ein gut funktionierendes P2P-Netzwerk müssen sie die Daten auch nach dem Download freiwillig zum Upload anbieten. Bei Kryptowährungen wird der Anbieter der Daten mit Tokens bezahlt.

Um bei meinem Beispiel von vorhin zu bleiben: Im Moment haben alle drei Nachrichten-Apps für ihre Nutzer eine kritische Masse. Keiner ist bereit auf ein freies Protokoll eines Kryptoverzeichnis zu wechseln. Nehmen wir aber an, die Nutzer eines neuen Kurznachrichtenprotokolls auf Basis einer Kryptowährung würden mit Token bezahlt, die an Börsen in traditionelle Währungen getauscht werden oder direkt zum Einkaufen genutzt werden können, dann wäre ein Anreiz zum Wechseln gegeben. Wie bei Bitcoin würden die Token immer weniger großzügig verteilt werden, umso populärer das Kurznachrichtenprotokoll wird. Am Anfang würde ein Entwickler einer neuen Kurznachrichten-App auf Basis dieses Protokolls und seinen experimentierfreudigen Nutzern möglicherweise mit vielen Token belohnt. Umso mehr Nutzer das Protokoll nutzen, umso reicher werden die ersten Nutzer und Entwickler.

Wird das Kurznachrichtenprotokoll beliebter, würde es Spekulanten anziehen, die mit Geld den Wert der Token nach oben treiben würde, dieses würde wiederum mehr Nutzer dazu animieren das Protokoll zu nutzen, was mehr Entwickler anziehen würde und wieder mehr Kunden. Bis zu einer Masse, die es auch für WhatsApp, Threema und Telegram interessant macht auf das Protokoll zu wechseln.

Die neue ökonomische Ordnung

Wenn das System auf einem Kryptowährung-basierenden Kurznachrichtenprotokoll funktioniert, wäre das Ergebnis ein wettbewerbsfähiger, aber gleichzeitig gerechtere Kurznachrichtenmarkt. Anstatt ein Großteil der Wertschöpfung bei einigen großen Unternehmen zu sehen, wäre er verteilt zwischen den Entwicklern, Nutzern oder Spekulanten. Der Profit in der Ökonomie von Kryptowährungen liegt nicht im Besitz der Datenbank, sondern im Nutzen, Bereitstellen und Verbessern des Protokolls und der Produkte. Die Grenzen zwischen Gründern, Investoren und Kunden sind weit unklarer als in traditionellen Unternehmensmodellen; die Anreize sind explizit darauf ausgerichtet, kein winner-takes-it-all Ergebnis zu haben. Und doch hängt das ganze System von einer anfänglichen spekulativen Phase ab, in dem Außenseiter daraufsetzen, dass der Wert des Tokens steigt.